Am Sonntag hatte eine erdrückende Mehrheit der brasilianischen Abgeordneten für ihre Absetzung gestimmt. ARTE Info erklärt in drei Punkten, wobei es bei der Abstimmung ging.
1. Warum ein Amtsenthebungsverfahren?
Dilma Rousseff steht im Zentrum eines parteiübergreifenden Korruptionsskandals und der tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise, in der Brasilien steckt:
- Der Petrobas-Skandal belastet Rousseff: Seit zwei Jahren laufen Ermittlungen (Operation "Lava Jato"), die ein über Jahre gestricktes Korruptionsnetz um den staatlich kontrollierten Ölkonzern Petrobras aufgedeckt haben. Bei mindestens 89 Auftragsvergaben von Petrobras an Bauunternehmen sollen Schmiergelder geflossen sein. Nach Schätzungen kann sich der Schaden auf etwa 1,5 Milliarden Euro belaufen. Gegen mehr als 50 Politiker wird ermittelt - auch aus der Opposition. Dilma Rousseff war von 2003 bis 2010 Aufsichtsratschefin des Konzerns.
- Ex-Präsident Lula da Silva sollte Rousseffs Kabinettschef werden: Rousseff wollte ihren Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva zur Stützung der Regierung zum Kabinettschef machen. Doch es gibt Vorwürfe gegen ihn, ein Baukonzern habe ihn im Zusammenhang mit einem Apartment geschmiert. Ein Bundesrichter legte daher sein Veto gegen Lula da Silvas Aufrücken in die Regierung ein, da er dort eine Teil-Immunität genießen würde. Der Eindruck entstand, Rousseff wolle Lula da Silva vor den Fängen der Justiz schützen, was den Widerstand gegen sie verstärkte.
- Rousseff hat ihre Verbündeten verloren: Das Land steckt in einer tiefen Rezession und die Regierung kann kaum noch Reformen durchsetzen, weil Rousseffs Neun-Parteien-Koalition zerbrochen ist. Politik findet kaum noch statt. 2015 brach die Wirtschaft um 3,8 Prozent ein, die Arbeitslosenzahl stieg auf 9,6 Millionen. Außerdem wird Rousseff vorgeworfen, Haushaltszahlen geschönt zu haben und sich damit eine bessere Ausgangsposition für ihre Wiederwahl 2014 gesichert zu haben. Laut Umfragen sind inzwischen mehr als 60 Prozent der Brasilianer für eine Amtsenthebung Rousseffs. Dabei ist die politische Klasse insgesamt diskreditiert, gegen rund 60 Prozent der Mitglieder von Abgeordnetenhaus und Senat gibt es Anklagen oder Ermittlungen - viele Bürger sind das Postengeschacher leid. Außerdem ist der Staatsapparat mit 31 Bundesministerien aufgebläht.