Welche Wirkungen hätte ein Tempolimit auf den Verkehrsfluss – und das damit verbundene Unfallrisiko?
Bei einem homogenen Verkehrsfluss ist das Fahren entspannt, die Verbräuche sinken, weil man nicht ständig Gas gibt oder bremst, die Unfallzahlen gehen drastisch zurück, weil ja alle annähernd gleich schnell sind. Die Unfallschwere sinkt sogar überproportional, der Lärm geht zurück.
Das ist ganz unstrittig: Verkehrsplaner wissen, dass die Kapazität der Straßen dann am größten ist, wenn die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen allen Fahrzeugen möglichst klein sind! Das nennt sich dann "homogener Verkehrsfluss". Bei einem homogenen Verkehrsfluss ist das Fahren entspannt, die Verbräuche sinken, weil man nicht ständig Gas gibt oder bremst, die Unfallzahlen gehen drastisch zurück, weil ja alle annähernd gleich schnell sind. Die Unfallschwere sinkt sogar überproportional, der Lärm geht zurück. Das kann man alles messen, das ist pure Physik. Das lernen die Schülerinnen und Schüler in der siebten Klasse im Physikunterricht. Aber wenn es dann um die große Politik geht, wenn es um Gefühle und die letzten „Freiheiten“ auf unseren Straßen geht und wenn es um deutsche "Premium-Fahrzeuge" geht, dann wird die Physik oft links liegen gelassen: Nur so kann man die aktuellen Äußerungen etwa des deutschen Verkehrsministers verstehen.
Würde die Zahl tödlicher Unfälle sinken, gäbe es ein Tempolimit?
Höchstwahrscheinlich schon. Wir haben ja auch schon in den vergangenen Jahren auf manchen Strecken Geschwindigkeitsbegrenzungen eingerichtet. Sie können bei einem beliebigen Autobahnamt oder einem Länderministerium anrufen und nach den Unfallzahlen vorher und nachher fragen: Die gingen immer zurück - teilweise drastisch!* Das ist auch logisch: Wenn bei 160 km/h jemand vor Ihnen auf die Überholspur wechselt, sind Sie so schnell, dass Sie den noch in der Reaktionszeit ungebremst treffen. Das geht dann übel aus. Wenn Sie vielleicht 120 km/h fahren, ist erstens ihr Reaktionsweg viel kürzer und zweitens der Geschwindigkeitsunterschied zu dem ausscherenden Fahrzeug viel kleiner: Diesen Unfall können Sie dann vermeiden. Der Unterschied ist: Einmal knallen Sie mit 160km/h auf ein anderes Fahrzeug, einmal passiert gar nichts, der Unfall wird vermieden. Auch das: reine Fahrdynamik, reine Physik. Gilt überall - außer auf deutschen Autobahnen?
*Studie: Eine schon etwas ältere Studie aus Brandenburg. Sie besagt: Ein generelles Tempolimit würde den Verkehr deutlich sicherer machen.
Schon 2007 hat das Brandenburger Verkehrsministerium nämlich die Auswirkungen eines Tempolimits auf einem 62 Kilometer langen Autobahnabschnitt untersuchen lassen. Ein Teil der A24 zwischen Wittstock und Havelland war bis Dezember 2002 noch ohne Tempolimit. Danach wurde eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h eingeführt. Das Ergebnis: Die Zahl der Unfälle halbierte sich annährend, von 654 Unfällen in drei Jahren ohne Tempolimit auf 337 Unfälle in drei Jahren mit 130 km/h. Auch die Zahl der Verunglückten sank deutlich von 838 auf 362 Verunglückte in drei Jahren (-57 Prozent). Rechnet man den allgemeinen Rückgang der Unfallzahlen heraus, bleibt laut Studie noch eine Verminderung der sogenannten Unfallrate um 26,5 Prozent.
Tja, wir haben da in Deutschland wohl eine nationale Besonderheit: Der Stolz auf die deutsche Ingenieurskunst, der Stolz auf das neue, teure Auto, und vor allem das Gefühl, dass man nur noch auf der Autobahn ein richtiger deutscher Mann sein kann.
Warum wird das Thema in Deutschland so extrem emotional und teils sehr pathetisch diskutiert? Woher kommt das?
Tja, wir haben da in Deutschland wohl eine nationale Besonderheit: Der Stolz auf die deutsche Ingenieurskunst, der Stolz auf das neue, teure Auto, und vor allem das Gefühl, dass man nur noch auf der Autobahn ein richtiger deutscher Mann sein kann. Das ist nicht mit Fakten und Argumenten beschreibbar, das sind Emotionen. Alle anderen Länder der Erde sind da ein wenig anders, die haben ein Tempolimit: Gerade weil man damit Leben rettet, weil man die Schwächeren schützt. Nur in Deutschland sollen die Stärkeren und Schnelleren weiter rasen dürfen. Das ist genauso irrational wie die Debatte in den USA, ob man Waffengesetze einführen soll oder nicht. Beides ist übrigens - leider - durchaus vergleichbar: Denn in beiden Fällen geht es um Menschenleben, und in beiden Fällen gilt das Recht des Stärkeren mehr als der Schutz der Schwächeren. Aber so sind wir Menschen eben mal. Ich wünsche mir, dass sich das ändert: Beim Rauchen in der Öffentlichkeit hat es doch auch geklappt.
Und was sagt der Kommunikationswissenschaftler? Einschätzung von Professor Joachim Trebbe, FU Berlin:
„In Deutschland denken wir, dass wir Autobahn und Auto erfunden hätten. Alles, was uns auf diesem Feld einzuschränken scheint, wird sehr stark symbolisch aufgefasst. ‚Wir bauen die größten Autos, weil wir damit am schnellsten in der Welt unterwegs sein können.‘ – Daran hängen viele Deutsche. Das darf nicht angetastet werden – vor allem in einer Zeit, in der viele das Gefühl haben, durch neue gesetzliche Regelungen immer weiter eingeschränkt werden. Die Debatte ist traditionell aufgeladen in Deutschland – und wird noch zusätzlich durch einige Politiker hochgespielt, um sich bei der Wählerschaft in Position zu bringen.“