Interview
Ein Land, ein Fehler…
Der Konflikt mit Serbien ist eine Art schwerer Geburtsfehler für die junge Nation Kosovo. Denn für die Serben ist das Kosovo noch immer ein Land, das nicht sein darf. Sie würden die dort lebende christlich-orthodoxe serbische Minderheit von gut 4 Prozent am liebsten samt Land heim in ihr Reich führen. Das führt natürlich immer wieder zu Spannungen mit den muslimischen Albanern, die mit 91 Prozent die Mehrheit der gut 1,8 Millionen Kosovaren stellen. Die Europäische Union bemüht sich seit der Unabhängigkeit 2008 immer wieder mit Geld und guten Worten, Serben und Kosovo-Albaner miteinander zu versöhnen: 2011 unterzeichneten Serbien und Kosovo ein Abkommen zur Reisefreiheit zwischen beiden Ländern und erkannten gegenseitig ihre Schulabschlüsse und Diplome an. Das erlaubte wiederum Serbien, sich 2012 offiziell um die Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu bewerben.
2015 verhandelten Kosovaren und Serben wieder unter der diplomatischen Führung der EU erfolgreich über die Gestaltung der Justiz im Land unter der Beteiligung beider Bevölkerungsgruppen, Serben und Albaner. Nicht allen ist das recht: Am 19. Februar 2016 lähmte die Opposition das Parlament in Pristina wieder einmal mit Tränengasattacken, um damit gegen die "Normalisierung" der Beziehungen zwischen beiden Ländern zu provozieren.
…und eine lange Geschichte.
Als Provinz Serbiens stand das Kosovo über 500 Jahre unter der Herrschaft des Osmanischen Reichs.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erhielt Serbien die Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches. Damals schon leben im Kosovo in der Mehrheit Albaner.
Im ersten Balkankrieg von 1912-1913 kämpften Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro gegen die Herrschaft des Osmanischen Reichs. Im Vertrag von London wurde das Kosovo schließlich Serbien zugesprochen.
1974 erklärte Marschall Tito, der Staatspräsident der Sozialistischen Volksrepublik Jugoslawien, das Kosovo zum autonomen Teil Serbiens. Nach seinem Tod 1980 verlangten die Nationalisten die Unabhängigkeit des Kosovo, um ihren eigenen Staat zu gründen.
1989 beendete Slobodan Milosevic als Präsident der neuen Sozialistischen Republik Serbien die Autonomie des Kosovo, denn für ihn war das Kosovo immer die Wiege der Kultur der Serben. Daraufhin gründeten die Kosovaren ihre eigene Befreiungsarmee, die sogenannte UCK. Der Konflikt um das Kosovo wurde zum Ausgangspunkt für den zweiten Krieg um das zerfallende Jugoslawien.
2008 wurde das Kosovo ein von Serbien unabhängiges Land. Die EU schickte die EULEX-Mission ins Land, um den Kosovaren zu helfen, ein eigenes Justizsystem aufzubauen.
Christophe Huber und Uwe Lothar Müller