In weiß: Die 123 Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs
Ein Gerichtshof nur für Afrikaner?
Das entkräftet einen der Hauptvorwürfe, die den Den Haager Strafverfolgern seit Jahren immer wieder gemacht werden, allerdings nicht: Der Internationale Strafgerichtshof messe mit zweierlei Maß und interessiere sich nur für Menschenrechtsverletzungen von Afrikanern. "Es ist nicht wegzudiskutieren, dass die weitaus größte Zahl der Fälle, die der Gerichtshof momentan verhandelt, aus dem afrikanischen Kontinent stammen", sagt Strafrechtler Safferling. Derzeit untersuchen die Ermittler die Menschenrechtssituation in elf Ländern – nur eines von ihnen, Georgien, liegt nicht in Afrika. "Man muss aber auch berücksichtigen", erläutert Safferling weiter, "dass vor 20 Jahren gerade die afrikanischen Staaten fast geschlossen hinter der Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs standen." Einige der größten und schwerwiegendsten Konflikte, in denen es zu massiven Kriegsverbrechen kam, ereigneten sich Anfang der 2000er Jahre in afrikanischen Staaten – und die ersten Fälle überwiesen die Demokratische Republik Kongo, Uganda und die Zentralafrikanische Republik selbst an das Gericht. Gregor Hofmann meint: "Einige Staaten oder Regierungen haben den Internationalen Strafgerichtshof anfangs unterstützt, als noch gegen ihre Gegner ermittelt wurde, die Elfenbeinküste ist da ein gutes Beispiel. Als dann klar wurde, dass auch Menschen angeklagt werden könnten, die der Regierung nahe stehen, hat sich plötzlich das Engagement für den Gerichtshof abgeschwächt. Das zeigt, aus welcher Richtung die Kritik teilweise kommt."
2016 kündigten Südafrika, Burundi und Gambia an, aus dem Internationalen Strafgerichtshof auszutreten. In Südafrika entschied ein Gericht, die Regierung Zuma könne nicht einfach austreten, ohne das Parlament zu fragen. Genau wie Gambia ist das Land heute noch Mitglied. Burundi trat 2017 aus, nachdem das Gericht Vorermittlungen im Land aufgenommen hatte. Ab 2019 werden auch die Philippinen kein Mitgliedsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs mehr sein. Regierungschef Rodrigo Duterte beschloss, auszutreten, nachdem das Gericht anfing, wegen Menschenrechtsverletzungen im Rahmen seines "Kriegs gegen die Drogen" zu ermitteln.
Ist das Gericht ein zahnloser Tiger?
Weitere Vorwürfe, die dem Internationalen Strafgerichtshof immer wieder gemacht werden: Er sei zu teuer, zu langsam und habe als "zahnloser Tiger" ohne eigene "Weltpolizei" keine ausreichenden Möglichkeiten zu ermitteln und Haftbefehle oder Urteile zu vollstrecken. Das sei aber ein grundsätzliches Problem internationaler Organisationen, meint Christoph Safferling: "Im Völkerrecht sind wir in der Regel darauf angewiesen, dass Staaten mit ihrem Gewaltmonopol für die internationale Organisation tätig werden. Das ist bei den Vereinten Nationen nicht anders. Ich würde sagen, das ist ein ganz normaler Vorgang." Mängel sieht er dagegen bei der Einhaltung professioneller Standards durch die Ankläger in Den Haag.
Moralische Schuld strafrechtlich zu beweisen, ist nicht leicht
Diese hätten sich beim Prozess gegen Jean-Pierre Bemba gezeigt, der im Juni im Berufungsverfahren vom Vorwurf der Kriegsverbrechen freigesprochen wurde: "So weit ich das als wissenschaftlicher Beobachter beurteilen kann, ist dieser Freispruch auch erfolgt, weil die Anklage nicht sorgfältig genug gearbeitet hat." Die Ankläger seien sich zu sicher gewesen, dass er als Präsident verantwortlich für die begangenen Verbrechen gewesen sei. "Das ist eine moralische, ethische Behauptung, die wahrscheinlich auch zutrifft. Aber um das strafrechtlich zu beweisen, muss man schon in der Anklage mehr ins Detail gehen und kleingliedriger argumentieren, um zweifelsfrei die Schuld einer Person zu beweisen." Auch dieses Problem sei aber in der Geschichte des Völkerrechts nichts Neues: Bei den Nürnberger Prozessen gegen die deutschen Eliten der NS-Zeit sei es den amerikanischen Anklägern aus denselben Gründen oft nicht gelungen, die unmittelbare Schuld einer Person nachzuweisen.
Ein Symbol gegen Straflosigkeit
Trotz aller Mängel - Gregor Hofmann zieht eine positive Bilanz: "Ich glaube, wir brauchen einen solchen Gerichtshof, er muss noch stärker werden, denn er ist das Symbol, das für den Kampf gegen Straflosigkeit steht, auch wenn er bisher noch nicht so gut funktioniert, wie wir uns das wünschen." Auch Christoph Safferling glaubt an die Zukunft des Internationalen Strafgerichtshofs: "Ich habe Hoffnung, dass der Internationale Strafgerichtshof als Institution bleibt, weil er eben doch einen Stachel im Fleisch der Regierenden weltweit darstellt. Er steht für einen moralischen Anspruch, der unbedingt zu befolgen ist, und der eben auch von der Zivilgesellschaft immer wieder eingefordert wird. Er muss aber natürlich auch überzeugen in seiner Arbeit. Und da ist noch etwas Luft nach oben." Fest steht: In vielen Fällen ist der Internationale Strafgerichtshof heute das einzige Gericht, vor dem schwerste Menschlichkeitsverbrechen überhaupt verfolgt werden können.